14. Mai 2019
Pressemitteilung
Ruanda

Blickwechsel – eine Fachfrauenreise nach Ruanda



„Selbstbestimmtes Leben von Frauen in Ruanda und Rheinland-Pfalz“ - Viele Fragen, einige Antworten und ein Blick über den deutschen Tellerrand


"Young women can" Gitarama und Fachfrauen

Den Blick über „den deutschen Tellerrand“ sollte eine zehntägige (Fach-)Frauenreise mit dem Titel „Selbstbestimmtes Leben von Frauen in Ruanda und Rheinland-Pfalz“ im Dezember 2018 schärfen. Sieben Fach-Frauen aus verschiedenen Mainzer Einrichtungen wie dem Frauennotruf, der pro familia, in.betrieb, der Universitätsklinik besuchten mit Unterstützung des Referats Partnerland Ruanda/ Entwicklungszusammenarbeit und dem Partnerschaftsverein verschiedene Einrichtungen und Expertinnen in Kigali, Huye und Ruhango.

Es gibt wenige spezialisierte Fachstellen, die allein und explizit zum Thema Sexualisierte Gewalt für erwachsene Frauen in Ruanda arbeiten, aber viele Organisationen die unterschiedliche Angebote für Frauen machen – auch in Form von unterschiedlichen niedrigschwelligen Präventions- bzw. Empowerment-Angeboten.

Ruanda – Frauenwunderland?

Wenn es um das Thema Frauen und Gleichberechtigung geht, gilt Ruanda als Vorreiter in der Welt: „Eine Quote schreibt einen Anteil von 30 Prozent Frauen der Delegierten auf allen Verwaltungsebenen vor. Genderfragen werden nicht nur im Genderministerium[1] behandelt, sondern auch in Angelegenheiten von Budget, Bildung, Landwirtschaft und Infrastruktur berücksichtigt. Wen immer man zu Equal Pay befragt, der ebenbürtigen Bezahlung von Mann und Frau, stets heißt es, dass das hier kein Thema sei. Laut Weltwirtschaftsforum liegt Ruanda in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter auf Platz fünf, noch vor Deutschland auf Platz zwölf,“ schreibt Angela Köchritz in ihrem Artikel „Ohne Frauen läuft hier nichts“ in der Zeit vom 8.8.2018[2].

Geregelt sind diese Vorgaben unter anderem in der neuen Verfassung, die 2003, neun Jahre nach dem Völkermord, eingeführt wurde, „den neuen Status der Frau zementierte“ - und mehr Geschlechtergleichheit herstellte. Etwas wovon Frauen und auch viele Männer in Rheinland Pfalz träumen: In keinem deutschen Parlament sind Frauen zahlenmäßig so stark vertreten. Bei der Tagung der Frauengruppe des Vereins Ruandische Diaspora in Deutschland e.V. (RDD e.V.) anlässlich des Weltfrauentags im März 2018 in Mainz musste die Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Landesfrauenbeirats Gisela Bill in Rheinland-Pfalz vortragen: „Bei uns in Rheinland-Pfalz ist es der Frauenanteil von durchschnittlich 18,7 % in den Kommunalparlamenten, der besonders beschämend ist.“ Dabei ist Frauenförderung etwas, was Geberländer vom afrikanischen Kontinent fordern[3] - leider meist nur dort und nicht im eigenen Land.

Aber wirken diese politischen Regelungen auch in den Alltag der Gesellschaft hinein? Konnten sie das Geschlechterverhältnis verändern? Und gibt es Auswirkungen auf das weltweit verbreitete Problem von Männer-Gewalt an Frauen?

Diesen Fragen geht der Frauennotruf Mainz seit vielen Jahren nach. Seit 2001 ist die Fachstelle zum Thema Sexualisierte Gewalt mit Ruanda verbunden und betont seither, dass der Austausch mit den ruandischen Frauen immer wieder verdeutlicht, dass die Probleme der Frauen in Ruanda - trotz großer struktureller, kultureller und geschichtlicher Unterschiede - sich nicht so gravierend von denen der Frauen in Deutschland unterscheiden. Beim Thema Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen zeigen sich weltweit viele Parallelen: zum einen, was den gesellschaftlichen Umgang betrifft, zum anderen in der Situation der Betroffenen.

Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs sehen als weiteren Gewinn der Vernetzung mit ruandischen KollegInnen die Möglichkeit der Überprüfung der eigenen Einstellungen und verinnerlichten Mythen zu den gängigen „Afrika-Bildern“ und dem Nachdenken über eigene alltägliche rassistische Haltungen.

Besuch von ruandischen Kolleginnen

Die erste Anlaufstation nach Ankunft in Kigali ist zum Einstieg die sog. „Tea-Time“ des Partnerschaftsbüros – hier werden informell bei ruandischem Tee und deutschem Kuchen nicht nur aktuelle Landesinformationen und Adressen ausgetauscht, es gibt auch konkrete Unterstützung, was die Reise durch das Partnerland betrifft. Zwei Stunden später ist die Gruppe mitten im Alltag einer ruandischen alleinerziehenden Mutter. Fideline Uwambijama hat zum Mittagessen in ihr kleines Haus im ältesten Stadtviertel Nyamirambo eingeladen. Die dreijährige Tochter Hilda durfte dafür von der Vorschule, in der sie Englisch und Französisch lernt, zuhause bleiben. Die 29-jährige Fideline betreibt einen kleinen Shop und macht gerade ein Praktikum in der Mikrofinanzbank AB. Eine Schul-Patenschaft des Partnerschaftsvereins hatte ihr Abschluss und Ausbildung als Lehrerin ermöglicht. Im April 2018 hatte sie ihre Pateneltern in Budenheim bei Mainz besucht. Ihr Fazit zum Thema Geschlechterverhältnis: „Hier in Ruanda tun die Männer gar nichts im Haus und für die Familie, sie sitzen und warten auf das Essen – in Deutschland kochen alle Männer, die ich kennenlernte. Sogar mein Paten-Großvater.“ (So ausschließlich können dies aber auch die deutschen Frauen nicht bestätigen.) Aber mit ihrer Beobachtung zu ruandischen Männern  im Haushalt steht sie nicht alleine. Eine Befragung im Land ergab: Frauen arbeiten im Schnitt 53 Stunden pro Woche (und damit zehn Stunden mehr als Männer), weil sie außer ihrer Erwerbstätigkeit auch die Verantwortung für Kinderbetreuung und Haushalt übernehmen – auch sog. gebildeten Frauen, wie in einer Umfrage unter weiblichen Abgeordneten deutlich wurde. In Gesprächen erfährt die Gruppe: Das hat auch traditionelle Wurzeln, im Haushalt haben in der Regel die Frauen das sagen.

Fideline betreut außerdem ehrenamtlich die Frauengruppe „Young women can“ im Gasabo-District und erzählt, dass viele der jungen, alleinerziehenden Mütter sich prostituieren, weil sie in der Schwangerschaft ihre Familie und die Schule verlassen mussten und oft auf der Straße wohnen. Sie erleben oft Gewalt in der Beziehung bzw. durch Bekanntschaften, weil sie von Almosen und Zuwendung abhängig sind.

Dasselbe berichtet am nächsten Tag Violette Dusabimana von der Hope-Foundation. Auch deren „Young women can“-Gruppe, die die Mainzer Frauengruppe einige Tage später in Ruhango auf dem Land besucht, gibt vielen jungen Alleinerziehenden die Chance, sich auszutauschen, weiterzubilden und ein Mikro-Kreditsystem zu nutzen, um ein eigenes kleines Geschäft aufzubauen und sich selbst zu ernähren. An staatliche Hilfe kommen diese oft sehr jungen Frauen anscheinend nicht heran und auch deren Eltern sehen nicht selten keine andere Möglichkeit, als die Tochter von der Schule zu nehmen bzw. des Elternhauses zu verweisen. Hintergrund ist hier aber auch der gesellschaftliche Druck – die Kirche und der teils verbreitete* konservative Lebensstil haben großen Einfluss. Auch hier erschwert die traditionelle Rollenzuweisung - wie wir sie aus Deutschland und vielen anderen Ländern kennen* - jungen Mädchen die Selbstbestimmung.  Der Mythos* der Insel Iwawa im Kivu-See zeugt davon: Hier sollen  junge schwangere Mädchen ausgesetzt worden sein, wenn sie schwanger wurden.

Sexualisierte Gewalt vor allem in Partnerschaften ist in vielen Gesprächen ein Thema – auch mit der Psychologin Thérèse Uwitonze von der Mental Health Dignity in Huye. Sie bietet Therapie für psychisch kranke Menschen und beklagt, dass die Finanzierung ihrer Arbeit nicht adäquat vom Gesundheitssystem übernommen wird. Über die nicht vorhandenen staatlichen Zuschüsse und politische Forderungen von NGOs wird ansonsten selten bis gar nicht gesprochen.

Dabei könnten die Organisationen die Politik beim Wort nehmen: Präsident Kagame hatte im vergangenen Jahr öffentlich die Bevölkerung, insbesondere Frauen in Entscheidungspositionen, dazu aufgerufen, ihren Einfluss zu nutzen um Lösungen für das immer größer werdende Problem der sexualisierten Gewalt gegen Frauen zu suchen. Im juristischen Jahr 2017/18 seien 63.360 Fälle bei Gericht angezeigt worden, was einer Steigerung der angezeigten und somit ans Tageslicht gekommene Fälle von 10,6 % gegenüber dem Vorjahr entspräche. 2014 hatte seine Frau, die First Lady Jeanette Kagame, im “Tribute to all the women who bore the heaviest burden of Rwanda’s history” auf bewegende Art „den tapferen ruandischen Frauen, die die größte Last unserer Geschichte getragen haben, besondere Achtung“ bezeugt. Auch Studien könnten die Fraueneinrichtungen stützen: Laut einer Erhebung des Nationalen Statistikinstituts von 2015 gaben 48 Prozent der Frauen in Ruanda an, Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden zu sein (Zum Vergleich: in  Deutschland haben lt. einer Studie aus 2004 40% der Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt). Aber politische Forderungen wie in Deutschland z.B. über den Bundesverband der Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen (bff) gibt aus den Organisationen kaum. Bei aller Energie für die Arbeit mit den Betroffenen wirken die engagierten Frauen an diesem Punkt eher resigniert.

Den intensivsten zweitägigen Austausch erlebte die Reisegruppe bei Family Circle Love Lab Organisation (FCLLO) in Huye. Die Organisation konzentriert sich vor allem auf die individuelle Beratung und Begleitung von Frauen, die (sexualisierte) Übergriffe in ihrer Partnerschaft erfahren haben sowie die Mediation in konfliktbelasteten Familien. Die erste Begegnung war ein „Nachmittag der offenen Tür“. So lernten die über hundert Besucherinnen, aktuelle oder ehemalige Hilfesuchenden von FCLLO, die deutsche Frauengruppe kennen und erfuhren, wie die Situation zum Thema Gewalt an Frauen in Deutschland ist. Etwas, was für viele Menschen in Ruanda kaum vorstellbar ist. Die BesucherInnen erlebten weiterhin, wie wichtig der deutschen Delegation ein Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe ist – trotz des kolonialistisch anmutenden Settings: Die weißen Frauen auf Stühlen – die schwarzen Frauen auf dem Boden sitzend. Immerhin saß noch Dative Nakabonye, Gründerin von FCLLO, erhöht.

 Anette Diehl und Kolleginnen bei Empfang von FCLLO
Bild 1: Anette Diehl und Kolleginnen bei Empfang von FCLLO

Sie hatte als Leiterin zum ganztägigen Workshop „Trauma und Selbstfürsorge“ eingeladen, der vom Mainzer Frauennotruf am Folgetag in Huye durchgeführt wurde: Anette Diehl, hauptamtliche Mitarbeiterin des Frauennotrufs Mainz und Trauma-Fachberaterin referierte unter dem Titel „What makes you sick? What keeps you strong?“ („Was macht dich krank? Was hält dich stark?“) mit Hilfe des von allen gelobten Übersetzers Gerard Herenso Mukeshimana.


Bild 2: Anette Diehl beim Vortrag "What makes you sick?What keeps you strong?"

War die Gruppe vorab noch skeptisch, dass ein Mann – in Deutschland bei solchen Settings eher unüblich - dabei sein sollte, waren am Ende alle überzeugt, dass er auch als Moderator für das schwierige Thema geeignet ist. Ziel der Fortbildung war, den Frauen mehr Verständnis zu geben für das, was durch Traumatisierung passiert und welche speziellen Folgen die Traumatisierung durch sexualisierte Grenzverletzungen und Gewalt auslösen kann. Auch das Thema Psychohygiene sollte Raum finden: Es wurden unterschiedliche Methoden vorgestellt, wie eine Entlastung möglich werden kann.

 Workshop zu Selbstfürsorge und Trauma
Bild 3: Workshop zu Selbstfürsorge und Trauma

Physiotherapeutin Andrea Diehl vom Mainzer Universitätsklinikum zeigte als Entspannungsmethode für Gruppen und als Selbstfürsorge für Beraterinnen das Konzept der Progressiven Muskelentspannung nach Edmund Jacobson und die Mitglieder von FCLLO stellten das sogenannte „Gym-Tonic“ als regelmäßige Körperübung zum Stressabbau vor. Das war ein gelungener Abschluss für den intensiven Tag. Die deutschen und ruandischen Teilnehmerinnen hatten sich mit großer Offenheit auf die zum Teil sehr persönliche Fortbildung eingelassen. Insbesondere die Sprecherinnen der acht Selbsthilfegruppen im FCLLO sorgten mit dem Einbringen ihrer persönlichen (Lebens-) Erfahrungen für eine sehr vertraute Atmosphäre. Zum Teil berichteten die Frauen von eigenen Gewalterfahrungen in Partnerschaft bzw. Flüchtlingslagern und darüber, was ihnen geholfen hat, sie gestärkt hat. Interessant in diesen Zusammenhang ist: In Kinyarwanda bedeutet das Wort für "Frage" (Ikibazo) auch "Problem". Die Frauen sorgten aber auch mit ihrem Humor für Leichtigkeit inmitten der oft sehr traurigen und berührenden Geschichten, die besprochen wurden. Bei allen Modulen des workshop-Tages konnten die deutschen Besucherinnen die Kraft spüren, die in den Selbsthilfegruppen bei FCLLO erwächst und wie Tanz, Gesang und gemeinsames Lachen ein wachstumsförderndes Klima schaffen können.

So war es auch passend, über selbstbestimmte Sexualität zu sprechen und dabei das Thema Verhütungsmethoden zu benennen. Dr. Gisela Hilgefort, Diplom-Psychologin und Leiterin des pro familia Zentrums Mainz stellte in ihrer Einheit zu Sexualaufklärung europäische Verhütungsmittel vor. Die „Plüsch-Vagina“ mit Plüsch-Ei und - Sperma begeisterte als Anschauungsmaterial nicht nur die ruandischen Teilnehmenden. Im Austausch über Verhütung wurde auch die Rolle von Frauen und Männern in diesem Bereich betrachtet – auch hier gibt es einige Parallelen, was die Verantwortungsübernahme für Schwangerschaftsverhütung betrifft.

Die beiden Mitarbeiterinnen des Isange-One-Stop-Centers im Distriktkrankenhaus Huye des Kabutare Hospital, die ebenfalls am Workshop teilnahmen, waren auch an diesem Thema außerordentlich interessiert: Selbstbestimmung durch Verhütung ist ein wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit Gewalt in der Partnerschaft. Ohne die Möglichkeit, die Familienplanung selbst zu bestimmen, müssen Frauen oft in Gewaltbeziehungen verharren.

 Anette Diehl und ihre Kollegin mit den Mitarbeiterinnen des Isange-One-Stop-Centers
Bild 4: Anette Diehl und ihre Kollegin mit den Mitarbeiterinnen des Isange-One-Stop-Centers

Aufgrund von organisationstechnischen Veränderungen bei FCLLO fand der Besuch im One-Stop-Center bereits am Vortag des Workshops statt und das eröffnete die Möglichkeit, Krankenschwester Claudine Muribonge und die Polizeibeamtin des Rwanda Investigation Bureau (RIB) Daria Kantengwa, in den Tag miteinzubeziehen. Im Rahmen des Isange-Programms wurden insgesamt 44 Isange-One-Stop-Center installiert. Das erste englisch-niederländisch finanzierte Projekt des Gender und Familienfördungsministeriums hat den Umbau von 23 Krankenhäusern übernommen. Das darauf folgende, Weltbank-finanzierte Projekt trägt derzeit alle Behandlungs- und Betriebskosten, die durch Fälle sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt in allen 44 Krankenhäusern anfallen. In diesen (Isange-) Zentren befinden sich je 2 Schutzräume (für Frauen und Männer getrennt) deren Benutzung jedoch zeitlich limitiert sein soll (empfohlen werden 3 Tage ). Die Annahme des Angebots zeigt sich in der Statistik, die der Gruppe vorgestellt wurde. Eine Krankenschwester versorgt die Betroffenen und steht zur Seite, ein Psychologe bietet Gespräche und eine Polizeibeamtin in Zivil bildet die Verbindung zwischen dem Opfer und der Polizei – ähnlich unseren Opferberatungen bei der Polizei –  hier niedrigschwellig im Krankenhaus angesiedelt.

Der Austausch mit den ruandischen Mitarbeiterinnen des One-Stop-Centers war für die deutsche Frauen-Gruppe sehr informativ: Die Arbeit ähnelt dem neuen Kooperationsprojekt des Frauennotrufs mit dem Universitätsklinikum Mainz „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ – der Unterschied ist, dass hier bei Isange keine Beschränkung auf Sexualisierte Gewalt vorliegt, sondern außerdem das Thema Medizinische Versorgung nach Partnerschaftsgewalt miteinbezogen ist. Darüber hinaus konnte der gemeinsame Besuch der Mitarbeiterinnen des Frauennotruf Mainz mit FCLLO als Auslöser und Katalysator genutzt werden, um FCLLO in seiner Vernetzung mit relevanten gesellschaftlichen und fachlichen AkteurInnen zu unterstützen und zu bestärken.

Die unterschiedlichen Stationen der Reise – auch Behinderteneinrichtungen wurden besucht und Märkte in Stadt und auf dem Land – zeigen, dass das Leben von Frauen auf dem Land sich immer noch sehr von dem in den Städten unterscheidet. Dass es sinnvolle nachahmenswerte staatliche Interventionen gibt zum Tabu-Thema (Sexualisierte) Männer-Gewalt an Frauen und Mädchen gibt, aber dass die Einbeziehung der Expertise der Fachwelt weder koordiniert noch finanziert wird. So arbeiten viele AkteurInnen (Männer sind weit mehr einbezogen ins Thema als hierzulande) „nebeneinander her“ und sind oft EinzelkämpferInnen in Parallelstrukturen. Dabei könnten Vernetzung und Kooperation Synergieeffekte und Stärkung bewirken.

Gibt es ein Fazit?

Was bedeutet dies nun für die Fragestellung zu Beginn der Reise? Natürlich bedeuten die Implementierung von Gendernormen in Gesetzen und innerhalb aller staatlichen Strukturen ebenso wie eine Frauenquote von 30 Prozent in entscheidungsgebenden Gremien Chancen und Vorbildfunktion für die Gesellschaft – genauso wie die UN Women-Kampagne „He for She“, mit der Männer für das Thema Gleichberechtigung sensibilisiert werden. Ruanda gehört immerhin zu den wenigen Ländern weltweit, in denen der Gender Gap zu mehr als 80 Prozent geschlossen ist.

Aber ohne die Entwicklung einer mündigen Zivilgesellschaft und die Förderung von gesellschaftlichem Engagement bleibt die notwendige Veränderung beim Tabu-Thema Männer-Gewalt an Frauen und Kindern auf der Strecke. Ist es schon hierzulande schwierig, immer wieder auf die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt hinzuweisen, ist es für ruandische Frauen in einem faktisch autoritär auftretenden Regime kaum machbar. So ist es schwer, gegen die traditionellen Geschlechtsrollenzuweisungen anzukommen, die, wie in Europa auch, immer noch bestehen und Frauen und Mädchen benachteiligen.

Entmutigen lassen sich die ruandischen Frauen dadurch nicht. Im Gegenteil. Die Zukunft des ruandisch-deutschen Austauschs heißt Our Vision 2020 und sieht weitere gegenseitige Besuche vor mit vielen Austauschforen und vielen Akteurinnen.

 

Anette Diehl, Mainz, April 2019*

*unter rassismuskritischer Perspektive wurden die mit * markierten Textstellen 2022 geändert durch: Aline Heitz, Frauennotruf Mainz e.V.

 

[1]  Ministerium für Gender und Familienförderung und Gender Monitoring Office (http://www.gmo.gov.rw/index.php?id=188

[3]  Laut einer McKinsey-Studie von 2015 könnte die Wirtschaft in Subsahara-Afrika bis zum Jahr 2025 um zusätzlich zwölf Prozent wachsen, wenn mehr Frauen in den Arbeitsmarkt einträten.

 Empfang FCLLO
Bild 5: Empfang FCLLO

 

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